Politische Botschaften im Diyanet-Gebetszeitenkalender 2023
Bereits 2021 machte der Liberal-Islamische Bund darauf aufmerksam, dass im in der DITIB-Merkez-Moschee in der Münchener Straße, Frankfurt a.M., vertriebenen Gebetszeitenkalender politische Botschaften verbreitet werden (Näheres dazu hier). Dort befinden sich auch die Verwaltungsräumlichkeiten des hessischen Landesverbandes der DITIB.
Der hessische DITIB-Landesverband, der an öffentlichen Schulen in Hessen islamischen Religionsunterricht verantwortet, ist gegenwärtig Gegenstand von Begutachtungen seitens der Hessischen Landesregierung, um festzustellen, ob bei ihm eine hinreichende Staatsunabhängigkeit angenommen werden kann.
Auch im diesjährigen Gebetszeitenkalender wird politische Propaganda der AKP perpetuiert. Mit Blick auf den Putschversuch in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016, ein Tag, der Ausgangspunkt für massiven Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei war und zu enormer gesellschaftlicher Spaltung führte, wird im Kalendereintrag vom 15. Juli unkritisch die AKP-Deutung des Tages verbreitet, indem er als „Tag der Demokratie und nationalen Einheit“ bezeichnet wird. Im unmittelbar darauffolgenden Kalendereintrag vom 16. Juli wird das bereits im Eintrag vom 15. Juli angesprochene Martyriumsthema offensichtlich vertieft, die Ereignisse des 15./16. Juli werden also in einen religiös begründeten Märtyrerkult eingebettet.
Religiöse Utensilien wie ein Gebetszeitenkalender dürfen aus unserer Sicht nicht für politische Zwecke missbraucht werden.
Zu den Eintragungen im Detail:
Kalender-Cover:
Der Kalender wird als ein „yurt dışı“-Kalender bezeichnet, also als ein Kalender für Muslim*innen „außerhalb der Heimat“, was die hiesige Gesellschaft als Fremde erscheinen lässt.
Eintrag vom 15. Juli 2023 (Vorderseite):
Aufzählungszeichen in der Mitte oben:
„• Tag der Demokratie und der nationalen Einheit
Gewiss, Allah verteidigt diejenigen, die glauben. Gewiss, Allah liebt keinen undankbaren Verräter. (Hadsch, 22/38)“
Eintrag vom 15. Juli 2023 (Rückseite):
„Dieses Vaterland ist unteilbar
In der Nacht des 15. Juli sind wir alle gemeinsam Zeugen geworden, wie die sich hinter unseren enormen Werten versteckende FETÖ (abwertend für Anhänger*innen der Gülen-Bewegung – Fethullahçı Terör Örgütü, zu Deutsch ‚Fethullahistische Terrororganisation‘, Anm. LIB) einen verräterischen Putsch unternommen hat. Diese Organisation, die ein Netzwerk des Verrats ist, hat unsere Unabhängigkeit und unsere Zukunft ins Visier genommen. Sie hat es auf unser Vaterland, unseren Staat und auf die Seele unserer teuren Nation abgesehen. Lasst uns nicht vergessen, dass FETÖ die hohen Wahrheiten des Islam zu ihrem eigenen Vorteil benutzt hat. Sie hat die Grundwerte und Begriffe unseres Glaubens entstellt/gefälscht. Sie hat die religiösen Gefühle der Menschen ausgenutzt. Sie haben getan, als hätten sie nichts als gute Absichten und sich dabei niemals gescheut, zwischen uns die Saat von Unfrieden (‚fitne‘, auch Zwietracht, Anm. LIB) und Aufruhr (‚fesat‘, etymologisch auch Korruption, Anm. LIB) zu säen. Im Erhabenen Koran steht über die Zwietrachtsäer Folgendes geschrieben: ‚Und wenn ihnen gesagt wird: ‹Stiftet kein Unheil auf Erden›, antworten sie: ‹Wir sind nur Förderer des Friedens›. Wisset! Gewiss sind sie es, die Unheil stiften; allein sie begreifen es nicht.‘ (Al Baqara, 2/11, 12). Endloser Dank und Lob gebührt unserem Herrn, dass wir am 15. Juli Zeugen der Hilfe unseres Herrn, des Sieges der Wahrheit über die Falschheit geworden sind. Wir sind in jener Nacht Zeugen des epischen Widerstandes und Mutes unseres Volkes, der den Verrätern ihre Ziele im Halse stecken bleiben ließ, geworden. Unserer Märtyrer und Helden, die ihre Körper zum Schutzschild für dieses Vaterland gemacht haben, gedenken wir mit Gnade.“
Eintrag vom 16. Juli 2023 (Vorderseite):
Aufzählungszeichen in der Mitte oben:
„• Welt-Kibla-Tag
Wahrlich, Allah liebt diejenigen, die für Seine Sache kämpfen, gereiht, als wären sie ein festgefügtes Mauerwerk. (Saff, 61/4)“
Eintrag vom 16. Juli 2023 (Rückseite):
„Märtyrer sterben nicht
Der Märtyrer stirbt und verschwindet nicht, er geht nicht (abwesend) unter, er ist am Leben, er wird sozusagen unsterblich. Es ist deshalb, dass der Märtyrer lebendig ist, nicht stirbt, man ihn nicht als tot bezeichnet. Er ist jemand, der, wenn sein Ort und seine Zeit gekommen sind, für religiöse, nationale und seelische Werte, die er heiliger weiß als seine Seele, diese Welt und alles auf dieser Welt aufgibt und seine Seele darlegt.
Gott teilt uns mit, dass die Märtyrer, die ihr Leben für den Glauben und das Vaterland geben, und ihre Taten nicht nichtig gemacht werden, sondern sie ihr Ziel erreichen und ins Paradies eingehen werden. Darüber hinaus ermahnt Er die Gläubigen hinsichtlich des Themas, sie nicht als Tote zu bezeichnen. Denn sie sind seelisch lebendig, nur die anderen Menschen können dieses seelische Leben, das über die Wahrnehmung hinausgeht, nicht verstehen.
‚Und betrachte nicht diejenigen, die auf Allahs Weg gefallen sind, als tot. Nein! Sie leben bei ihrem Herrn, und sie werden dort versorgt. Sie freuen sich über das, was Allah ihnen von Seiner Huld gab, und von Freude erfüllt (sind sie) über diejenigen, die ihnen noch nicht gefolgt sind, sodass keine Furcht über sie kommen wird und sie nicht trauern werden.‘ (Al-i Imran, 3/169, 170)“