Stellungnahme zu den Folgen des Afghanistan-Einsatzes
Mit großer Sorge beobachten wir die dramatischen und rapiden Entwicklungen der letzten Tage in Afghanistan. Die Eroberung Kabuls durch die Taliban stellt den vorläufig letzten Akt eines gescheiterten Afghanistan-Einsatzes der internationalen Gemeinschaft dar, die durch einen chaotischen Abzug einen Scherbenhaufen hinterlässt. Auch die deutsche Bundesregierung muss sich eine gravierende Fehleinschätzung der Lage und ein Scheitern vorwerfen lassen. Nicht zuletzt die unwürdigen Szenen der letzten Tage am Kabuler Flughafen bedrücken uns.
Wir sind in Sorge um die afghanische Zivilbevölkerung, die ein Recht darauf hat, in Würde und Freiheit in einer Demokratie zu leben. All dies ist durch die menschenfeindliche Ideologie der Taliban gefährdet, insbesondere auch mit Blick auf die Rechte der afghanischen Frauen und queeren Menschen, die ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt allen Frauen und queeren Menschen weltweit, die ein Leben in individueller Autonomie und Selbstbestimmung anstreben. Die Flucht vieler Afghan*innen vor den Taliban verdeutlicht ihr Streben nach einem freiheitlichen Leben in Würde und Gleichberechtigung. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie für die Schutzsuchenden großzügig Asylmöglichkeiten gewährleistet. Der Westen, der den Afghan*innen Menschenrechte bringen wollte, muss seiner moralischen Verantwortung gerecht werden und hier zeigen, dass er es mit seinen humanistischen und humanitären Werten ernst meint.
Schließlich verurteilen wir die unter Muslim*innen teilweise zu findenden Stimmen, die eine Verharmlosung der Taliban betreiben, anscheinend getrieben u.a. aus anti-amerikanischen Ressentiments und einer tribalistischen Denke heraus. Erinnert sei daran, dass eines der Hauptanliegen des Propheten Muhammad (s) die Überwindung tribalistischen Denkens war – dieser Grundsatz hat auch innermuslimisch Anwendung zu finden: Mit Muslim*innen, die eine menschenverachtende Ideologie vertreten, kann es keine „Umma“ geben.
DER VORSTAND, 20.08.2021