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Pressemitteilung zu gesetzlichen Kopftuchverboten bei minderjährigen Musliminnen

Das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Raum, insb. in Schulen, bei Musliminnen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, pauschal gesetzlich zu verbieten, wird in der Islamdiskussion hin und wieder seitens mancher Akteur*innen gefordert. Dies ist jedoch ein vielschichtiges Thema, das eine rechtliche, pädagogische und theologische Ebene hat und daher eine je nach Ebene differenzierende Antwort erfordert.

Auf der rechtlichen Ebene gilt, dass pauschale Verbote von Kopftüchern bei religionsunmündigen Musliminnen im öffentlichen Raum, insb. in Schulen, verfassungswidrig wären, da sie einen Eingriff in das als Grundrecht geschützte elterliche Erziehungsrecht nach Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz darstellten, ohne dass ein diesen Eingriff verfassungsrechtlich rechtfertigender Grund ersichtlich wäre. Wie der Göttinger Professor für Öffentliches Recht Hans Michael Heinig erläuterte: „Solange das Kindeswohl nicht gefährdet ist, ist auch die familiäre Weitergabe religiöser Sonderbarkeiten freiheitsrechtlich geschützt.“ Erst bei Kindeswohlgefährdung greife das staatliche Wächteramt, ansonsten entschieden in Fragen der (religiösen) Erziehung die Eltern bis zur Religionsmündigkeit von Kindern, „nicht der (säkulare, auf Neutralität verpflichtete) Staat“ (Quelle). Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe für pauschale Verbote ab der Religionsmündigkeit von Musliminnen (ab 14 Jahren) sind ebenso wenig ersichtlich. Zur Verfassungswidrigkeit pauschaler Verbote im schulischen Bereich sei auf das entsprechende Rechtsgutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages verwiesen – erst bei einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden sind, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Ultima Ratio, Verbote denkbar.

Angesichts der Rechtslage muss eine Auseinandersetzung mit dem Thema auf der pädagogischen und theologischen Ebene erfolgen.

Angesichts der Rechtslage muss eine Auseinandersetzung mit dem Thema auf der pädagogischen und theologischen Ebene erfolgen: Muslimische Kinder und Jugendliche sollten zu toleranten Menschen mit kritischer Reflektionsfähigkeit und in religiöser Hinsicht mündigen Persönlichkeiten erzogen sowie dazu befähigt werden, selbstbestimmt entscheiden zu können, wie sie ihr religiöses Leben führen wollen. Deshalb sollte in der Familie und in der Schule (insb. im Religionsunterricht) jungen Musliminnen die Möglichkeit gegeben werden, sich mit der Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten hinsichtlich des Kopftuchthemas auseinanderzusetzen – dazu gehören auch diejenigen Lesarten, die solche, welche das Kopftuch als Gebot erachten, hinterfragen. Erst durch die geistige Auseinandersetzung mit den vielfältigen Lesarten können muslimische Jugendliche einen eigenen mündigen Standpunkt entwickeln. Kategorisch abzulehnen ist ein wie auch immer gearteter Druck oder gar Zwang seitens der Familie oder der Pädagog*innen, der die Befähigung von jungen Musliminnen zu einem autonomen Leben konterkariert. Es bedarf insb. der Räume des Empowerments, in denen junge Musliminnen pädagogisch begleitet und dabei unterstützt werden, ihre Selbstbehauptungsfähigkeit gegenüber familiären und/oder gesellschaftlichen Erwartungen und Drücke zu stärken, damit sie ein selbstbestimmtes, und nicht fremdbestimmtes, Leben führen können. Wir schließen uns den differenzierten und ausgewogenen fachlichen Ausführungen zahlreicher Fachvertreter*innen der Erziehungswissenschaft in dieser Stellungnahme an.

Wir rufen die KRM-Verbände daher dazu auf, in Form einer Stellungnahme Position zu beziehen.

Sofern Schulen mit Fällen von kopftuchtragenden jungen Mädchen konfrontiert werden, sollten sie auch das Gespräch mit den Eltern suchen. Die im Koordinationsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossenen Verbände stehen ebenso in der Verantwortung, klarzustellen, wie sie zu dem Thema stehen. Wir rufen die KRM-Verbände daher dazu auf, in Form einer Stellungnahme Position zu beziehen.

Allgemein ist zu raten, diese Thematik weniger emotional zu führen und mehr zu versachlichen. Konkrete Zahlen dazu, wie viele Fälle von kopftuchtragenden Mädchen es gibt, liegen nicht vor. Angesichts einer fehlenden gesicherten Tatsachengrundlage sind unverhältnismäßig dramatisierende Diskurse verfehlt und stärken nur die extremistischen Ränder, wie man u.a. an entsprechenden Kampagnen von Islamist*innen sieht, die die Kopftuchdebatte für ihre Interessen ausnutzen.

DER VORSTAND, 26.03.2019

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