Pressemitteilung zum neu gegründeten Beraterkreis Islamismusprävention und Islamismusbekämpfung des Bundesministeriums des Innern
Die durch das Bundesministerium des Innern (BMI) kürzlich verkündete Auflösung der bisherigen „Task Force Islamismusprävention“ und deren Ersetzung durch einen personell neu besetzten „Beraterkreis Islamismusprävention und Islamismusbekämpfung“ hat für Kritik und Kontroversen in der Öffentlichkeit gesorgt.
Der Liberal-Islamische Bund (LIB) positioniert sich in dieser Sache wie folgt:
Der LIB begrüßt im Grundsatz die kritische Beschäftigung mit Islamismus. Islamismus bedroht, in unterschiedlichen Formen – von legalistischen bis terroristischen Ausprägungen –, die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Dies hat sich in den vergangenen Jahren etwa durch verübte sowie vereitelte Anschläge und durch eine verstärkte Agitation islamistischer Akteure u.a. im Online-Bereich mit dem Ziel der Radikalisierung von insbesondere Jugendlichen ausgedrückt. Abzulehnen ist daher eine Kritik, die die kritische Beschäftigung mit Islamismus pauschal als Islamfeindlichkeit beziehungsweise antimuslimischen Rassismus brandmarkt. Eine derartige Kritik ist unredlich und von einem Mangel an Problembewusstsein gekennzeichnet.
Zu Kritik zwingt jedoch die personelle Besetzung des neu gegründeten Beraterkreises. Ein solcher muss, um eine kompetente und professionelle Beratung des Staates zu gewährleisten, höchsten wissenschaftlichen und ethischen Redlichkeitsstandards genügen. Diesen Anforderungen genügt die personelle Besetzung indes nicht.
Der Beraterkreis ist in erheblichem Maße besetzt mit Personen, deren bisherige Arbeit durch Unwissenschaftlichkeit, mangelnde Differenziertheit und das Schüren von Ressentiments gegen den Islam beziehungsweise Muslime geprägt ist, hierbei zuweilen das essentialisierende identitäre Islamverständnis von muslimischen Fundamentalisten und Islamisten, das einen grundlegenden Widerspruch zwischen dem Islam und europäischer Kultur konstruiert, teilend und perpetuierend.1 Zudem ist er besetzt mit Personen, die unter Missachtung der rechtsstaatlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes mit evident verfassungswidrigen Forderungen das Grundrecht der Religionsfreiheit von Muslimen zu beschneiden versuchen.2 Das Gremium wird des Weiteren geleitet von einem Staatssekretär, der bis in die jüngere Vergangenheit durch pauschalisierende und rassistische Aussagen Menschen herabwürdigte3 und ferner in dem rechtspopulistischen Medienportal NiUS auftritt4, das durch manipulative Medienarbeit gezielt Hass auf Menschen schürt. Letzteres ist ebenso inakzeptabel wie etwa Auftritte von bürgerlich-konservativen Muslimen in beispielsweise muslimbrudernahen Medienportalen. Werden mit Blick auf das eigene Verhalten, insbesondere die fehlende Distanz zu demokratiezersetzenden Akteuren betreffend, doppelte Standards praktiziert, unterminiert dies den für sich selbst reklamierten Anspruch auf demokratische Integrität und Glaubwürdigkeit.
Eine solche personelle Besetzung des Gremiums ist nicht nur unter wissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten inakzeptabel, sondern auch unter strategischen. Sie untergräbt das zentrale Anliegen des Gremiums, nämlich, Islamismus effektiv zu bekämpfen, da sie der Erzählung von Islamisten, der deutsche Staat sei von Islamfeindlichkeit geprägt und wolle die Grundrechte von Muslimen verfassungswidrig beschränken, leichtfertig in die Hände spielt.
Die Besetzung hätte sicherstellen müssen, dass die wissenschaftliche und sonstige Integrität des Gremiums unangreifbar und über jeden Zweifel erhaben ist. Ein derart defizitär konstituiertes Gremium vermag auch bei der breiten Mehrheit der muslimischen und nicht-muslimischen demokratischen Mitte, die Islamismus kritisch gegenübersteht, nicht Vertrauen und Akzeptanz zu genießen und dessen Wirken ist mithin zum Scheitern verurteilt. Eine Besetzung dieser Art kommuniziert nicht die Absicht, politisches Handeln aus sachlicher Objektivität und aus ergebnisoffenen wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen zu schöpfen, sondern, einer voreingenommenen, tendenziösen politischen Linie den Anschein der fachlichen Legitimität zu verleihen. Dieser Eindruck wird ferner verstärkt durch die Tatsache, dass Expertinnen und Experten der vorigen Task Force Islamismusprävention, deren Objektivität und fachliche Expertise zum Themenbereich Islamismus unzweifelhaft ist, aus nicht nachvollziehbaren Gründen ausgetauscht wurden, wie u.a. auch Peter R. Neumann, Professor für Security Studies am King’s College London, kritisch anmerkte5. Die vom BMI als vermeintliche „inhaltliche Fortentwicklung“ charakterisierte Auflösung des bisherigen Islamismusexpertengremiums erklärt eine Entlassung und Ersetzung des Großteils der vorigen, fachlich anerkannten Expertinnen und Experten nicht. Dass sich an der personellen Besetzung des vorigen Gremiums keine kritischen Diskussionen wie gegenwärtig entzündeten, belegt, dass die Expertise und Integrität der vorigen Expertinnen und Experten über Zweifel erhaben waren und von der Allgemeinheit anerkannt wurden, während das neue Gremium gravierende Akzeptanzprobleme hat.
Mit der Besetzung des neu gegründeten Gremiums entfernt sich die gegenwärtige Bundesregierung auf dem Feld der Islampolitik von einer seriösen, der objektiven Wissenschaft verpflichteten und von einem Ethos der staatspolitischen Verantwortung getragenen Staatsführung, die 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble initiiert wurde und fast 20 Jahre von unterschiedlichen Bundesregierungen mit gleichem Ethos fortgeführt wurde, und bewegt sich stattdessen hin zu einer sich kulturkämpferischen Impulsen hingebenden aktivistischen Politik. Dies wird, zumal mit Blick auf die ohnehin polarisierten Zeiten, schwerwiegende und nachhaltige negative Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben und somit das Gegenteil des mit dem Vorhaben vorgeblich Intendierten erreichen.
DER VORSTAND, 18.12.2025
Fußnoten
1 Siehe z.B. zum wissenschaftlichen Wirken des Gremiumsmitglieds Ruud Koopmans: Ferda Ataman, Umstrittene Studie: „Zwei Drittel der Muslime Fundamentalisten“ – wirklich?, mediendienst-integration.de, 30.06.2015, https://mediendienst-integration.de/news/wzb-studie-koopmans-zu-fundamentalismus-muslime-und-christen-im-europaeischen-vergleich/ (zuletzt abgerufen am 16.12.2025); kritisch auch Mathias Rohe, Der Islam in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, 2017, S. 236 f.
Das Gremiumsmitglied Ahmad Mansour stellte 2021 die aus geschichtswissenschaftlicher Sicht haltlose und faktenwidrige Behauptung auf: „Der Islam hat sich noch nie in eine andere Kultur integriert und wird es auch nicht in Europa tun“, womit im Übrigen das essentialisierende identitäre Islamverständnis muslimischer Fundamentalisten und Islamisten, das einen grundlegenden Widerspruch zwischen dem Islam und europäischer Kultur konstruiert, von Mansour geteilt und perpetuiert wird: Simon Strauß, F.A.Z. Podcast für Deutschland: Was ist deutsch, Ahmad Mansour? „Der Islam wird sich nicht integrieren“, faz.net, 20.07.2021, https://www.faz.net/podcasts/f-a-z-podcast-fuer-deutschland/was-ist-deutsch-ahmad-mansour-der-islam-wird-sich-nicht-integrieren-17445937.html (zuletzt abgerufen am 16.12.2025).
Das Gremiumsmitglied Güner Balcı befördert mit undifferenzierten Thesen rechtspopulistische Narrative: Lilly Schröder, „Heimatland“ von Güner Balci – Nicht Klartext, sondern Kulturkampf, taz.de, 30.09.2025, https://taz.de/Integrationsbeauftragte-von-Neukoelln/!6112759/ (zuletzt abgerufen am 16.12.2025).
2 Es ist daran zu erinnern, dass in einem Rechtsstaat Rechtsansprüche nicht nach Sympathien oder Antipathien für eine Sache gewährleistet werden, sondern ausschließlich und strikt unvoreingenommen nach juristischen Maßstäben, die rechtsstaatlichen Prinzipien bzw. den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgen.
Exemplarisch für die Missachtung dieser Prinzipien steht etwa die Forderung nach pauschalen Kopftuchverboten bei Minderjährigen, die eine Verletzung des Grundrechts der Religionsfreiheit bzw. des grundrechtlich geschützten religiösen Erziehungsrechts von Eltern darstellt und nach Expertise der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sowie nach nahezu einhelliger Auffassung in der rechtswissenschaftlichen Literatur verfassungswidrig ist, siehe dazu u.a. Wolfgang Hecker, Die Kopftuchdebatte. Verfassungsrecht und Sozialwissenschaften, 2022, S. 235-271; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Schule und Religionsfreiheit – Wäre ein Kopftuchverbot für Schülerinnen rechtlich zulässig?, Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 277/16, 26.01.2017, https://www.bundestag.de/resource/blob/497902/67aecff4a679020c68f8c0cefaafe132/wd-3-277-16-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 16.12.2025). Verfassungswidrige Forderungen entsprechender Art zur Beschränkung der Religionsfreiheit von Muslimen werden von mehreren Mitgliedern des Beraterkreises erhoben, z.B. von Ahmad Mansour, Ali Ertan Toprak, Rebecca Schönenbach und Kyrill-Alexander Schwarz (zur abwegigen juristischen Mindermeinung von Schwarz siehe z.B. Wolfgang Hecker, Die Kopftuchdebatte. Verfassungsrecht und Sozialwissenschaften, 2022, S. 250 f.). Siehe zu diesem Themenkomplex auch Liberal-Islamischer Bund, Pressemitteilung zu gesetzlichen Kopftuchverboten bei minderjährigen Musliminnen, 26.03.2019, https://lib-ev.de/pressemitteilung-zu-gesetzlichen-kopftuchverboten-bei-minderjaehrigen-musliminnen/ (zuletzt abgerufen am 16.12.2025).
Verfassungswidrige Forderungen zur Beschränkung der Religionsfreiheit von Muslimen werden seitens mehrerer Mitglieder des Beraterkreises auch zu weiteren Lebenssachverhalten erhoben.
3 Stella Hesch, „Integrationsskala“: CDU-Politiker de Vries und seine muslimfeindlichen Äußerungen, correctiv.org, 12.12.2024, https://correctiv.org/aktuelles/kandidierenden-check/2024/12/12/integrationsskala-cdu-politiker-de-vries-und-seine-muslimfeindlichen-aeusserungen/ (zuletzt abgerufen am 16.12.2025).
4 Ralf Schuler, Innen-Staatssekretär de Vries über die Asylwende: „Wir werden jetzt den Herbst der Reformen erleben”, nius.de, 03.09.2025, https://www.nius.de/schuler!-fragen,-was-ist/news/innen-staatssekretaer-de-vries-ueber-die-asylwende-wir-werden-jetzt-den-herbst-der-reformen-erleben/8a180612-f87f-4fd3-942c-fe751e6e7bc6# (zuletzt abgerufen am 16.12.2025).
5 Peter R. Neumann (@PeterRNeumann), x.com, Posting vom 21.11.2025, https://x.com/PeterRNeumann/status/1991962034414772308 (zuletzt abgerufen am 16.12.2025).