Grußwort zum Opferfest 2025

Bi-smi llāhi r-rahmāni r-rahīm
Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes
Liebe LIB-Mitglieder,
liebe Freund*innen,
as-salāmu ʿalaikum, Friede sei mit euch.
Wir wünschen euch ein gesegnetes ʿĪd ul-Adhā. ʿĪd mubārak!
Das Opferfest ist eine gute Gelegenheit, über das Thema Opfer und Opferbereitschaft zu reflektieren. Es ist eine gute Gelegenheit für jede*n Einzelne*n von uns, in sich zu gehen und zu überlegen, welches Opfer man als Kalif*in, also als Statthalter*in Gottes auf Erden, für eine bessere Welt bringen kann – sei es in finanzieller Hinsicht, z.B. in Form einer Spende für eine gute Sache, sei es als Verwertung der Ressource Zeit für ehrenamtliches Engagement, sei es durch das Einstehen für die Wahrheit, auch wenn dies mit Gegenwind verbunden sein mag, oder sei es in jeglicher sonstiger Hinsicht.
Dabei muss der eigene Beitrag nicht zwingend etwas Großes sein – auch kleine Beiträge können eine wichtige Rolle spielen und große Auswirkungen haben, da auch kleine Beiträge in einem größeren Gesamtgefüge von entscheidender Bedeutung dafür sein können, dass eine Gesamtunternehmung erfolgreich ist.
Unsere Welt ist wie schon lange nicht mehr aus den Fugen geraten. Im Inland werden Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Freiheit u.a. durch Rechtspopulismus und Islamismus bedroht, im Ausland wird die regelbasierte internationale Ordnung, deren Herzstück die universellen Menschenrechte sind, durch Kriege und Menschenrechtsverletzungen infrage gestellt.
Als Kalif*innen tragen wir Verantwortung für diese Welt und sind gefordert, Opfer für das Gute zu bringen, damit diese Welt ein besserer Ort wird. Der Gedanke, Opfer zu bringen, ist gemeinhin oft fälschlicherweise zunächst mit einer negativen Konnotation behaftet und wird als das Erleiden eines Verlustes verstanden. Dabei kann ein Opfer auch als eine Bereicherung gesehen werden, nämlich als eine sinnvolle Investition von Zeit und Energie für eine bessere Welt, von der man selbst, die eigenen Kinder und zukünftige Generationen profitieren werden – Generationen, denen man begegnen wird, und solche, denen man nie begegnen wird.
Bedenken wir, dass auch wir Profiteure der Opfer früherer Generationen sind, denen wir nie begegnet sind, und die uns nie begegnet sind – deren Opferbereitschaft Auswirkungen bis heute, auf unsere Leben hat. Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte und Freiheiten etwa, die wir genießen, beruhen auf dem Wirken der Frankfurter Nationalversammlung von 1848, die Folge von Aufständen mutiger Menschen in der März-Revolution vor über 177 Jahren gegen eine ungerechte politische Ordnung war. Für die Befreiung von der Herrschaft der Nationalsozialisten, die zur Gründung der Bundesrepublik und zu Frieden und Wohlstand in Deutschland führte, opferten Hunderttausende ihre Leben. Und hätte der Prophet (s) nicht für die Wahrheit und deren Übermittlung an die Nachwelt massive Verfolgung und Lebensgefahren auf sich genommen und wäre er trotz erheblicher Widrigkeiten, die ihn an die Grenzen des menschlich Verkraftbaren brachten, nicht standhaft geblieben als „Barmherzigkeit für alle Welten“ (K 21:107), hätte der Glaube uns nicht erreicht.
Der Koran berichtet in Sure 2, Vers 214 eindrucksvoll den Grad der Widrigkeiten, denen der Prophet (s) ausgesetzt war:
„Oder meint ihr etwa, dass ihr (dereinst) ins Paradies eingehen werdet, noch ehe Ähnliches über euch gekommen ist, wie (seinerzeit) über diejenigen, die vor euch dahingegangen sind? Not und Ungemach widerfuhr ihnen, und sie wurden erschüttert, bis (selbst) der Gesandte und diejenigen, die mit ihm gläubig waren, schließlich ausriefen: ‚Wann wird (denn) die Hilfe Gottes kommen?‘ (Aber) Gottes Hilfe ist ja nahe.“
Im Vergleich zu früheren Generationen ist unsere Situation noch komfortabel. Wenn frühere Generationen bereit waren, ihr Leben für das Wahre und Gute zu geben – was sind wir bereit zu opfern? Es ist an uns, ob wir in einer Haltung des Konsums und der Passivität, also einer Haltung des Nehmens verharren, oder ob wir eine Haltung des Gebens einnehmen wollen.
Mit unserem Handeln können wir die Gegenwart, die unmittelbare und die ferne Zukunft zum Guten beeinflussen. Die Frage, die jeder von uns sich stellen muss, ist, welche Opfer er dafür zu bringen willens ist.
Mit diesem Impuls wünschen wir euch und euren Liebsten gesegnete ʿĪd-Tage!
Euer Vorstand