Muslim 3.0
Wie kann die Identität junger männlicher Muslime im Deutschland des 21. Jahrhunderts aussehen? Dieser Frage müssen sich nicht nur die Betreffenden selbst stellen, sie ist vielmehr für die gesamte Gesellschaft relevant, denn aufgrund der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte gehört auch der Islam zu Deutschland.
Im Bereich der Identitätsbildung sind bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund große Probleme zu verzeichnen. Ihnen wird es in Deutschland nicht einfach gemacht, sich als Deutsche zu bezeichnen, weil ein Teil der Mehrheitsgesellschaft noch immer eine völkische Abstammung als „deutsch“ definiert. Dies führt bei vielen Jugendlichen zu einem Identitätskonflikt oder gar zu einer Identitätskrise und oftmals dazu, dass sie sich eine neue Identität suchen, die sie in der Religion des Islams zu kompensieren suchen. Islamistische Gruppierungen setzen bei der konfliktbeladenen Identitätssuche an und geben dem Wunsch der Jugendlichen nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Sinn eine Perspektive.
Dieser Prozess führt häufig dazu, dass ein verschrobenes Verständnis von Religion, hier: des Islams, die Hauptidentität junger Menschen, vor allem junger Männer auszeichnet und in einigen Fällen als Legitimation für Gewalt führen kann. Ein sozial niedriger Status verstärkt diese Symptome in hohem Maße und kann in Leben voller Widersprüche und Extreme enden. Hier spielen auch die fehlende Wahrnehmung der religiösen Bedürfnisse der Jugendlichen sowie ihre mangelhafte Befriedigung durch die Verbreitung zeitgenössischer Islaminterpretationen eine negative Rolle.
Dem wollte die wert-voll ggmbh (ehemals: multilateral academy ggmbh) mit einem Projekt in Kooperation mit dem Liberal-Islamischen Bund e.V. begegnen. Ziel war die Entwicklung, Erprobung und Realisierung eines didaktisch-methodischen Konzeptes zur Förderung der strukturierten Identitätsbildung junger (männlicher) Muslime – ein Konzept, das ein mit dem 21. Jahrhundert und der Demokratie kompatibles Islamverständnis vermittelte und so das Dilemma einer scheinbaren und von islamistischen Extremist*innen forcierten Entweder-oder-Entscheidung aufhob. Die Identität des „Muslim 3.0“: deutsch, muslimisch, tolerant.
Angesiedelt wurde das Projekt im nordrhein-westfälischen Hagen. Diese Stadt mit insgesamt ca. 190.000 Einwohner*innen war deshalb besonders geeignet, da sie mit 33,3 Prozent einen weit überdurchschnittlichen Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufweist (bei den unter 18-Jährigen sind es sogar 55,7 Prozent).
Hier arbeitete seit Mai 2011 ein Team bestehend aus den Religionspädagoginnen und Islamwissenschaftlerinnen Lamya Kaddor und Rabeya Müller vom Liberal-Islamischen Bund sowie dem mla-Kreativteam um Gandhi Chahine exemplarisch mit männlichen muslimischen Jugendlichen im Alter von 16-25 Jahren. Bis Ende 2011 durchliefen 80 Jugendliche verschiedene Phasen und setzten dabei theoretisch Erarbeitetes anschließend in Kreativworkshops (Video, Musik und Schauspiel) um.
Die Präsentation erster Ergebnisse erfolgte am 3. Oktober 2011.
Partner in Hagen waren das Jugendamt, das Kulturzentrum Kultopia sowie die Evangelische Schülerinnen- und Schülerarbeit in Westfalen (BK) e.V.
„Muslim 3.0“ wurde im Rahmen des Bundesprogramms „Initiative Demokratie stärken“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Projektträgerin: wert-voll ggmbh (ehemals: multilateral academy ggmbh)