Gebet für Verstorbene
Das Gebet für Verstorbene (صلاة الجنازة | Ṣalāt al-Ǧanāza) gilt in den meisten Islamischen Traditionen als Pflicht für die Gemeinschaft/Gemeinde (فرض الكفاية | farḍ al-kifāya, wörtlich: Pflicht des Genügeleistens). Es wird üblicherweise bei der Beerdigung verrichtet, oft aber zusätzlich auch nach dem Freitagsgebet in der Moschee oder auch in privaten Räumen gebetet.
Das Gebet wird vollständig im Stehen durchgeführt und besteht aus vier Einheiten, die durch einen jeweiligen Takbīr (ausrufen von الله أَكْبَر | „Allāhu akbar!“ | Gott ist größer!) von einander abgegrenzt sind, weshalb die Einheiten auch Takbīrāt genannt werden. Das Gebet ist in nahezu allen Traditionen ein leise gesprochenes Gebet, d.h. zu hören ist lediglich der viermalige Takbīr der vorbetenden Person sowie die Abschlussformel. In verschiedenen Traditionen werden unterschiedliche Gebete nach dem jeweiligen Takbīr gesprochen, die aber immer der gleichen thematischen Abfolge entsprechen (siehe unten).
Wird das Gebet für Verstorbene bei der Beisetzung durchgeführt, steht die vorbetende Person neben dem Sarg in Richtung Mekka (Qibla) gewandt und mit dem Rücken zur Gemeinde. Die Gemeinde reiht sich hinter ih*r auf.
- Absicht
- Erster Takbīr
- Al-Fātiḥa (manchmal: plus eine weitere kurze Sure)
- Zweiter Takbīr
- Segensgrüße an den Propheten (s.a.s.)
- Dritter Takbīr
- Gebet für d*ie Verstorbene
- Vierter Takbīr
- Freies Bittgebet (z.B. Duʿāʾ Nūr)
- Taslīm
- Absicht
- Erster Takbīr
- Subḥānaka
- Zweiter Takbīr
- Segensgrüße an den Propheten (s.a.s.)
- Dritter Takbīr
- Gebet für d*ie Verstorbene
- Vierter Takbīr
- Freies Bittgebet (z.B. Duʿāʾ Nūr)
- Taslīm
Im Folgenden werden nun die einzelnen Elemente erläutert: Bevor die Absicht durch die vorbetende Person ausgesprochen wird, ist es außerdem üblicherweise so, dass diese*r das Gebet und dessen Abschnitte erklärt. Da es ein leises Gebet ist und es in verschiedenen Rechtsschulen und Strömungen unterschiedlich abläuft, sollten die Anwesenden zumindest kurz über den Ablauf informiert werden. Unsere Vereinsempfehlung ist es aber, auch ein Blatt mit dem Text auszulegen, das bei Bedarf genommen werden kann und der Trauergemeinde vorab das vorliegende Handout zugänglich zu machen.
Beispielsweise: „O Allah, wir sind heute hier als Trauergemeinde zusammengekommen, um im Sinne unserer Pflicht als Gemeinde und in Hoffnung auf deine Zufriedenheit von (Name der verstorbenen Person) Abschied zu nehmen. (Hier ist in Absprache mit den Hinterbliebenen der Raum über die verstorbene Person zu sprechen, im guten Sinne und für die Person bei Allah um einen Platz im Paradies zu bitten).
Anschließend wird die Gemeinde gebeten, um Vergebung bei Gott für d*ie Verstorbene*n zu bitten.
Beispielsweise kann es so angeleitet werden, dass die vorbetende Person alle bittet, in sich zu gehen und im Inneren der Person jetzt zu sagen, dass wir die Person lieben, sehr vermissen werden und wir der Person alles verzeihen. Dann sollte kurz ein Moment Zeit gegeben werden, damit alle innerlich sich bereit sind für das Totengebet.
Die vorbetende Person hebt die Hände auf Ohrenhöhe und ruft: „Allāhu akbar!“ (Gott ist größer! / Gott ist der Größte!). Im Anschluss legen alle die Hände vor Brust oder Bauch.
(Hände bleiben auf dem Bauch/Brust)
أَعُوذُ بِاللهِ مِنَ الشَيْطَانِ رَجِيم |
ʿaūḏu bi-llāhi min aš-šayṭāni r-raǧīm |
بِسْمِ اللّهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ |
bi-smi llāhi r-raḥmāni r-raḥīm |
الْحَمْدُ للّهِ رَبِّ الْعَالَمِينَ |
al-ḥamdu li-llāhi rabbi l-ʿālamīn |
الرَّحْمنِ الرَّحِيمِ |
ar-raḥmāni r-raḥīm |
مَلِكِ يَوْمِ الدِّينِ |
māliki yawmi d-dīn |
إِيَّاكَ نَعْبُدُ وإِيَّاكَ نَسْتَعِينُ |
ˈiyyāka naʿbudu wa-ˈiyyāka nastaʿīn |
اهدِنَا الصِّرَاطَ المُستَقِيمَ |
ihdinā ṣ-ṣirāṭa l-mustaqīm |
صِرَاطَ الَّذِينَ أَنعَمتَ عَلَيهِمْ غَيرِ المَغضُوبِ عَلَيهِمْ وَلاَ الضَّالِّينَ |
ṣirāṭa llaḏīna ˈanʿamta ʿalayhim ġayri l-maġḍūbi ʿalayhim wa-lā ḍ-ḍāllīn |
Übersetzung: Die Eröffnende (1. Sure)
[Ich suche Zuflucht bei Allah vor dem Übel, das uns von der Wahrheit weglockt.]
Im Namen Allahs, de*r einfühlsam Barmherzigen, de*r unendlich Liebenden
Dank sei Allah, de*r nährenden Erhalter*in aller Welten. De*r einfühlsam Barmherzigen. De*r unendlich Liebenden. Besitzer*in des Tages des Erwachens. Dir allein dienen wir und an Dich wenden wir uns, um um Hilfe zu bitten. Führe uns auf den geraden Weg (der Erleuchtung und Entdeckung). Den Weg derer, die Deine erhabene Rechtleitung annehmen. Nicht den Weg derer, die von ihrer eigenen Wut überschattet werden. Nicht derer, die irregehen.
In einigen Strömungen und Rechtsschulen wird empfohlen noch eine weitere kurze Sure zu sprechen, z.B. die Surah Iḫlāṣ / die 112. Sure des Korans:
بِسْمِ اللّهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ |
bi-smi llāhi r-raḥmāni r-raḥīm |
Im Namen Allahs, de*r einfühlsam Barmherzigen, de*r unendlich Liebenden |
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قُلْ هُوَ ﭐللهُ أحَدٌ |
qul huwa llāhu ˈaḥad |
Sag: Sie*Er ist Gott, d*ie Eine, |
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أللهُ الصَّمَدُ |
Allāhu ṣ-ṣamad |
Gott ist d*ie überzeitlich Einzigartige, |
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لَمْ يَلِدْ وَلَمْ يُولَدْ |
lam yalid wa-lam yūlad |
hat nicht gezeugt und wurde nicht gezeugt |
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وَلَمْ يَكُنْ لَهُ كُفُوًا أَحَدٌ |
wa-lam yakun lahū kufuwan ˈaḥad |
und Sie*Ihn kann man mit nichts vergleichen. |
سُبْحَانَكَ اللَّهُمَّ وَبِحَمْدِكَ، | subḥānaka llāhumma wa bi-ḥamdika |
وَتَبَارَكَ اسْمُكَ، وَتَعَالَى جَدُّكَ | wa tabāraka smuka wa taʿālā ǧadduka |
وَ جَلٌَ ثَنَاءُكَ وَلَا إِلَهَ غَيْرُكَ | wa ǧalla ṯanā’uka wa lā ilaha ġayruka |
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Die vorbetende Person hebt die Hände auf Ohrenhöhe und ruft: „Allāhu akbar!“ (Gott ist größer! / Gott ist der Größte!). Im Anschluss legt er*sie die Hände wieder vor Brust oder Bauch.
(Hände bleiben auf dem Bauch/Brust)
اللَّهُمَّ صَلِّ عَلَى مُحَمَّدٍ |
Allāhumma ṣalli ʿalā Muḥammad wa ʿalā āli Muḥammad |
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O Gott, segne Muḥammad und seine Familie |
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kama salayta ʿalā Ibrāhīm wa ʿalā āli Ibrāhīm |
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so wie Du Ibrahim und die Familie Ibrahims gesegnet hast |
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innaka hamīdun mağīd |
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Wahrlich Du bist der Preiswürdige, der Mächtige! |
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Allāhumma bārik ʿalā Muḥammad wa ʿalā āli Muḥammad |
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O Gott, segne Muhammad und die Familie Muhammads mit deinem Wohlwollen |
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kama bārakta ʿalā Ibrāhīm wa ʿalā āli Ibrāhīm |
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so wie Du Ibrahim und die Familie Ibrahims mit deinem Wohlwollen gesegnet hast |
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innaka hamīdun mağīd |
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Wahrlich Du bist der Preiswürdige, der Mächtige! |
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Überliefert in Sahih Al-Bukhari, Nummer 3370, Kapitel 60, Muslim Nummer 406a, Kapitel 4 und Sunan an-Nasa’i, Nummer 1290, Kapitel 13
Die vorbetende Person hebt die Hände auf Ohrenhöhe und ruft: „Allāhu akbar!“ (Gott ist größer! / Gott ist der Größte!). Im Anschluss legt er*sie die Hände wieder vor Brust oder Bauch.
Die malikitische und hanafitische Rechtsschule verzichten hier auf das Heben der Hände auf Ohrenhöhe.
Hier kann eine beliebige Duʿāʾ / Bittgebet für die verstorbene Person gesprochen werden. In den meisten Rechtsschulen ist dies auch in einer anderen Sprache als Arabisch erlaubt.
اَللّهُمَّ اغْفِرْ لِحَيِّنَا وَمَيِّتِنَا، وَشَاهِدِنَا وَغَايِبِنَا، وَصَغِيرِنَا وَكَبِيرِنَا، وَذَكَرِنَا وَأُنْثَانَا، اَللّهُمَّ مَنْ أَحْيَيْتَهُ مِنَّا فَأَحْيِهِ عَلَى الْإِسْلام، وَمَنْ تَوَفَّيْتَهُ مِنَّا فَتَوَفَّهُ عَلَى الْإِيمَان، اَللّهُمَّ لَا تَحْرِمْنَا أَجْرَهُ، وَلَا تُضِلْنَا بَعْدَهُ.
Allāhumm-aġfir li ḥayyinā wa mayyitinā, wa šāhidinā wa ġā’ibinā, wa ṣaǧīrinā wa kabīrinā, wa ḏakarīnā wa unṯānā, allāhumma man aḥyytahū minnā fa-aḥyyhi ‛ala̱ l-‚islām, wa man tawaffaytahū minnā fa tawaffahu ‛alā l-‚īmān, allāhumma lā tuḥrimnā ‚ajrahu, wa la tuḍilnā ba‛dah.
O Gott, du hast uns und unsere Seelen erschaffen und Du nimmst sie wieder zu Dir zurück. Auf dir liegt deren Leben und deren Tod. Wenn Du uns Leben gibst, beschütze uns, wenn Du uns sterben lässt, vergebe uns. O Gott, wir bitten dich um Kraft. O Gott, vergebe den Lebenden und den Toten, denen die hier sind und denen die nicht bei uns sind, unseren Jungen und unseren Alten , allen Geschlechtern.O Gott, die, die du von uns am Leben erhältst, so lass es unser Moralgesetz nicht erschüttern, und die von uns, die du zu dir nimmst, lass deren Tod auf dem Glauben beruhen.)
Überlieferung in Ǧamiʿ at-Tirmiḏī, Nummer 1024, Sunan Ibn Maǧah, Nummer 1498 und Sunan Abi Dawud, Nummer 3201.
Die vorbetende Person hebt die Hände auf Ohrenhöhe und ruft: „Allāhu akbar!“ (Gott ist größer! / Gott ist der Größte!). Im Anschluss legt er*sie die Hände wieder vor Brust oder Bauch.
Die malikitische und hanafitische Rechtsschule verzichten hier auf das Heben der Hände auf Ohrenhöhe.
Je nachdem, ob die vorbetende Person hier etwas Zeit lässt oder schon in den Taslīm übergeht kann hier optional noch eine beliebige Duʿāʾ / Bittgebet gesprochen werden. In den meisten Rechtsschulen ist dies auch in einer anderen Sprache als Arabisch erlaubt.
Beispiel: Gebet für Licht / Duʿāʾ Nūr دُعَاء نُور
اللَّهُمَّ اجْعَلْ لِي نُورًا فِي قَبْرِي وَنُورًا فِي قَلْبِي |
Allāhumma ǧʿal lī nūran fī qabrī wa nūran fī qalbī |
وَنُورًا مِنْ بَيْنِ يَدَىَّ وَنُورًا مِنْ خَلْفِي |
wa nūran min bayni yadayya wa nūran min ḫalfī |
وَنُورًا عَنْ يَمِينِي وَنُورًا عَنْ شِمَالِي |
wa nūran ʿan yamīnī wa nūran ʿan šimālī |
وَنُورًا مِنْ فَوْقِي وَنُورًا مِنْ تَحْتِي |
wa nūran min fauqī wa nūran min taḥtī |
وَنُورًا فِي سَمْعِي وَنُورًا فِي بَصَرِي |
wa nūran fī samʿī wa nūran fī baṣarī |
وَنُورًا فِي شَعْرِي وَنُورًا فِي بَشَرِي |
wa nūran fī šaʿrī wa nūran fī bašarī |
وَنُورًا فِي لَحْمِي وَنُورًا فِي دَمِي وَنُورًا فِي عِظَامِي |
wa nūran fī laḥmī wa nūran fī damī wa nūran fī ʿiẓāmī |
اللَّهُمَّ أَعْظِمْ لِي نُورًا وَأَعْطِنِي نُورًا وَاجْعَلْ لِي نُورًا |
Allāhumma aʿẓim lī nūran wa aʿẓinī nūran wa ǧʿal lī nūran |
Übersetzung: Gebet für Licht
O Gott, erschaffe Licht in meinem Grabe und in meinem Herzen,
Licht vor mir und Licht hinter mir,
Licht zu meiner Rechten und Licht zu meiner Linken,
Licht über mir und Licht unter mir,
Licht in meinem Hören und Licht in meinem Sehen,
Licht in meinen Haaren und Licht in meiner Haut,
Licht in meinem Fleische, Licht in meinem Blute und Licht in meinen Knochen.
O Allah, verstärke das Licht in mir! Gib mir ein Licht! Erschaffe für mich ein Licht!
Überlieferung in Ǧamiʿ at-Tirmiḏī, Nummer 3419, Kapitel 48
Die vorbetende Person schaut nach rechts und sagt:
السَّلاَمُ عَلَيْكُم وَ رَحْمَةُ اللهِ |
As-salāmu ʿalaykum wa raḥmatu llāhi (wa barakātuhu) |
Der Friede sei mit euch und die Barmherzigkeit Gottes (und sein Segen)! |
(In der hanafitischen Rechtsschule obligatorisch, in der malikitischen und schafi’itischen Rechtsschule optional) Dann schaut d*ie Imam*in nach links und sagt nochmals:
السَّلاَمُ عَلَيْكُم وَ رَحْمَةُ اللهِ |
As-salāmu ʿalaykum wa raḥmatu llāhi (wa barakātuhu) |
Der Friede sei mit euch und die Barmherzigkeit Gottes (und sein Segen)! |
Diese Elemente ergeben gemeinsam das Gebet für Verstorbene. Wichtig ist hier jeweils zu beachten, dass verschiedene Rechtsschulen hier sehr unterschiedlich sein können und sich auch teilweise widersprechen. Wenn alle Beteiligten Bescheid wissen, ist hier die mögliche Verwunderung oder sogar Verunsicherung kleiner.
Falls Bedarf ist, haben wir hier eine einfache Variante zusammengestellt.
Beispielablauf des Gebets für Verstorbene (in Umschrift):
Vorbetende Person: „O Allah, wir sind heute hier als Trauergemeinde zusammengekommen, um im Sinne unserer Pflicht als Gemeinde und in Hoffnung auf deine Zufriedenheit von (Name der verstorbenen Person) Abschied zu nehmen.“
Vorbetende Person: „Allāhu akbar!“
Trauergemeinde: (im Stillen)ʿaūḏu bi-llāhi min aš-šayṭāni r-raǧīm
bi-smi llāhi r-raḥmāni r-raḥīm
al-ḥamdu li-llāhi rabbi l-ʿālamīn
ar-raḥmāni r-raḥīm
māliki yawmi d-dīn
ˈiyyāka naʿbudu wa-ˈiyyāka nastaʿīn
ihdinā ṣ-ṣirāṭa l-mustaqīm
ṣirāṭa llaḏīna ˈanʿamta ʿalayhim ġayri l-maġḍūbi ʿalayhim wa-lā ḍ-ḍāllīn
Vorbetende Person: „Allāhu akbar!“
Trauergemeinde: (im Stillen) Allāhumma ṣalli ʿalā Muḥammad wa ʿalā āli Muḥammad
kama salayta ʿalā Ibrāhīm wa ʿalā āli Ibrāhīm
innaka hamīdun mağīd
Allāhumma bārik ʿalā Muḥammad wa ʿalā āli Muḥammad
kama bārakta ʿalā Ibrāhīm wa ʿalā āli Ibrāhīm
innaka hamīdun mağīd
Vorbetende Person: „Allāhu akbar!“
Trauergemeinde: (im Stillen) Bittgebet für d’ie Verstorbene*n (Gebet und Sprache frei wählbar)
Vorbetende Person: „Allāhu akbar!“
Vorbetende Person: As-salāmu ʿalaykum wa raḥmatu llāh
Trauergemeinde bewegt Kopf nach rechts: As-salāmu ʿalaykum wa raḥmatu llāh